Warten auf den Azorenhochkeil (Dänische Südsee
26.-30.Juli 2007)
Text und Fotos von Andreas Lichtschlag
Treffpunkt ist der Campingplatz Sinebjerg auf Fyn,
den man auch auf dem Landwege erreichen kann. Mit der
Fähre über den Kleinen Belt spart man zwar keine Zeit,
jedoch ist die Passage Fynshav – Bøjden sehr reizvoll.
Ohne Reservierung darf ich als letzter aufs Schiff.
Es ist sonnig, aber es weht ein scharfer Wind aus
NW. Die Fähre liegt nicht etwa ruhig im Wasser! Wer
umhergeht, sollte eine Hand für das Schiff haben. Ich
schaue aufs Wasser. Wäre schon eine Aufgabe, hier im
Seekajak zu queren...
Bis zum überaus gepflegten Campingplatz ist es nicht
weit. Michael ist schon da, Klaus-Jürgen kommt mit Eberhard
am Abend, Alf und Klaus werden am nächsten Morgen eintreffen.
Am Vorabend unserer Tour beugen wir uns über die
Seekarte. Klaus-Jürgen, unser Guide, erläutert das Revier.
Im vorigen Jahr hat er mit seiner Gruppe eine beeindruckende
Strecke zurückgelegt. Nun ja, da war Jahrhundertsommer.
Der gegenwärtige Sommer ist gekennzeichnet durch Regen
und viel Wind.
Am Starttag ist es gar nicht mehr sonnig. Gemächlich
paddeln wir in Richtung Nachbarinsel. Wind und Wellen
haben wir von vorn, da fällt das Steuern leicht. Nach
der langen Autofahrt genieße ich das Auf und Ab in den
Wellen. Auf Lyø legen wir eine kurze Rast ein.
Bevor es weitergeht, möchte Klaus-Jürgen sehen, ob
wir auch alle stützen können, weil nun Wind und Wellen
von rechts kommen.
Die Gruppe ist paddeltechnisch auf höchst unterschiedlichem
Niveau. Unsere flachen Stützen scheinen unserem Guide
aber auszureichen für die Weiterfahrt zur Insel Avernakø.
Dort im Bistro des kleinen Seglerhafens kümmert sich
die Hafenmeisterin um unsere Erstversorgung. Wir bauen
unsere Zelte auf und stellen erleichtert fest, dass
die Gruppe immerhin über drei Tarps verfügt. Wind und
Regen mögen nun kommen.
Wind und Regen zwingen uns, die Tarps auf verschiedene
Kombinationsmöglichkeiten hin zu testen. Zum Kochen
und Schnacken im Schutz der Tarps haben wir ja viel
Zeit. Stürmt es zu heftig, legen wir die Konstruktion
mit Steinen beschwert flach auf den Boden und ziehen
uns entweder in die Zelte oder in den Hafenbistro zurück.
Der Seewetterbericht meldet Starkwind und Sturm in
allen Vorhersagegebieten. Ein Azorenhochkeil befindet
sich erst westlich von Portugal. Bis der bei uns ist...
Wir machen eine Wanderung zum anderen Ende der Insel.
Eigentlich sind es zwei Inseln, die durch einen Damm
verbunden sind.
Am Nachmittag übt Klaus-Jürgen mit uns im Hafen die
Rolle. Unablässig macht er vor und korrigiert geduldig
unsere Fehler. Als uns allmählich die Puste ausgeht,
bitten wir ihn noch, alle Paddelschläge durchzunehmen.
Einige Segler schauen interessiert zu. Abends im Hafenbistro
mag keiner der Segler mehr mit seinem Seglerlatein auftrumpfen.
Unsere Rollen sind bei denen jetzt das Thema.
Unter Landabdeckung merken wir nicht viel vom angesagten
Südwest mit Stärke 5. Vor der Querung nach Drejø machen
wir im Nieselregen eine kurze Pause an der Südspitze
von Avernakø.
Klaus-Jürgen hatte uns den Hafen von Drejø als verlassen
und verträumt geschildert. Erstaunen, als wir viele
Menschen sehen, die uns zuwinken. Wir gehen an Land.
Heute sei Segler-Gottesdienst mit anschließendem Hafenfest,
erklärt man uns, wir dürften aber gerne bleiben. Klaus-Jürgen
ist enttäuscht. Wir könnten noch zum Übernachtungsplatz
neben dem Fährhafen, hätten dann aber morgen um so mehr
zu paddeln. Wir beschließen, zu bleiben.
Rund um den Stahldeckel einer Kläranlage ordnen wir
unsere Zelte an. Disteln, Brennesseln und jede Menge
Mücken. Wir machen unseren obligatorischen Inselspaziergang.
Da wo letztes Jahr die Zelte standen, werden Lautsprecher
aufgebaut. Sind die für die Pfarrerin oder den DJ? Der
Hafen füllt sich mit immer mehr Menschen. Nur die Predigt
ist laut.
Wir mischen uns unter das Volk und trinken für die
erforderliche Bettschwere, damit wir trotz DJ einigermaßen
schlafen können. Aber der DJ kommt nicht. Ist wohl auch
gar nicht vorgesehen. Jung und Alt sitzen leise plaudernd
in der Nacht zusammen. Einfach so. Die Dänen sind eben
anders.
Der angesagte Wind bleibt aus. Angenehme Wellen von
vorn. Ohne Eile geht es zurück zur Südspitze von Avernakø.
Diesmal Rast in der Sonne. An der Südseite entlang paddeln
wir in Richtung unseres ersten Standorts. Faszinierende
Wolken. Cirrus vertebratus – meine Lieblingswolke.
Dann plötzlich Durchzug einer Kaltfront. Peitschender
Regen, aber kein Gewitter.
Die Zelte können wir jedoch bei Sonnenschein aufbauen.
Ich schaue mir die Wolken an.
„Was sagen Dir denn die Wolken für Wetter an? Wird’s
endlich besser?“ fragt Alf.
„Im Moment eher waagerechte Schichtung, bedeutet
Wetterberuhigung. Wir befinden uns leider die ganze
Zeit in einem ausgeprägten Tiefdrucksystem. Daran wird
sich in den nächsten Tagen nicht viel ändern. Der Azorenhochkeil
kommt nur langsam voran.“
Nach dem abendlichen Seewetterbericht ziehen sich
heute die meisten in ihr Zelt zurück. Im Bistro saufen
und lärmen die Segler.
Frühstück unter den flatternden Tarps. Wind soll
auf 6-7 gehen. Wollen wir etwa aufs Wasser? Entsprechend
der Bergsteigerweisheit „It’s better to fail than to
die“ nehmen wir lieber die Fähre nach Faaborg.
Im Wartehäuschen gibt Klaus nach der Schlussbesprechung
noch ein Knotenseminar.
Da kommt auch schon die Fähre.
Kurz vor dem Einlaufen in Faaborg sehen wir Paddler.
Die gehören bestimmt zur „Sea Challenge Fyn“!
In diesem Kabbelwasser mit kippeligen Rennkajaks!
Kenterungen bleiben nicht aus, wie wir sehen.
Taxi nach Sinebjerg, Autos holen, Boote aufladen.
Wir bedanken uns bei Klaus-Jürgen. Die hinsichtlich
Paddeltechnik und Kondition heterogene Gruppe war für
ihn keine leichte Aufgabe. Er hat uns sicher durch die
gar nicht so liebliche Südsee geführt. Viel gelernt
haben wir allemal.
Der Azorenhochkeil kam dann doch noch. Von ihm profitierten
schließlich mein Sohn Linus und ich in der nordfriesischen
Insel- und Halligwelt. Aber das ist eine andere Geschichte. |